Einleitung
Die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse ist eine wesentliche Aufgabe von Wissenschaftler_innen. Die Begutachtung einer Publikation durch andere Wissenschaftler_innen sichert deren Qualität. Ihre Veröffentlichung bildet den Nachweis erbrachter Leistung. Darüber hinaus bietet sie die Grundlage für Diskussionen innerhalb einer Fachgemeinschaft und dient als Basis für weitere Erkenntnisse. Eine möglichst große Verbreitung sowie eine breite Rezeption der Veröffentlichung ist daher wünschenswert.
Open Access: freier Zugang und freie Nachnutzung
Die Umsetzung dieser Wünsche unterstützt eine Open Access (“freier Zugang”) genannte Veröffentlichungsweise. Ein freier Zugang ermöglicht die für Nutzende kostenfreie Verfügbarkeit und Nachnutzung in digitaler Form vorliegender wissenschaftlicher Ergebnisse und Materialien ohne technische und rechtliche Barrieren. Open Access wird von Wissenschaftsverlagen, aber auch von wissenschaftlichen Institutionen, ermöglicht. Machbar wird der freie Zugang durch neue Technologien, die digitale Veröffentlichungen umsetzen können. Technische Lösungen bieten zudem weitere Chancen, den Publikationsprozess sowie den Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisbildung, weitergehend zu unterstützen und auf neue und erweiterte Art zu nutzen.
Zurzeit wird Open Access vor allem als alternatives Geschäftsmodell von Verlagen begriffen (Stichwort: Transformationsverträge). Die Idee des freien Zugangs weist in anderen Ausprägungen allerdings über den ökonomischen Aspekt hinaus und hilft Voraussetzungen für eine zukunftsweisende Wissenschaftskommunikation zu schaffen. Gemeinsam mit Wissenschaftler_innen entwickeln insbesondere wissenschaftliche Einrichtungen und Bibliotheken nicht-kommerzielle, fachorientierte Publikationsangebote. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Kulturwandel hin zu einer offenen Wissenschaft.
Wie verändert sich das Publizieren in digitalen Zeiten?
Schon länger werden wissenschaftliche Publikationsprozesse durch Software-Lösungen verschiedener Art unterstützt. Kein Buch, keine Zeitschrift erscheint heute mehr, ohne dass Texte mit Schreibprogrammen verfasst und Abbildungen mit digitalen Bildverarbeitungsprogrammen aufbereitet werden. Auch das Layout von Zeitschriften wird digital gestützt erarbeitet und schließlich in die finale Publikation überführt.
Die Weiterentwicklung des Internets hat zahlreiche neue Techniken und Praktiken hervorgebracht, die auch den Publikationsprozess wissenschaftlicher Erkenntnisse beinflussen. Forscher_innen entwickeln digitale Werkzeuge und Software, um Daten zu sammeln, auszuwerten und miteinander zu teilen. Sie lassen sich dabei von Algorithmen und künstlichen Intelligenzen unterstützen und teilen ihre Erkenntnisse in diesem Prozess online miteinander. Dies geschieht in Schriftform, aber auch in Form von Abbildungen und Bewegtbildern.
Transparenz im Prozess fördert die Erkenntnis
Die dauerhafte Bereitstellung von Wissen, das in Forschungsprozessen generiert wird, beschleunigt das Lernen aller Beteiligten. Da alles in diesem Prozess digital vorhanden ist, liegt es nahe, Daten, Software, Algorithmen, Texte, Bilder und andere Objekte aus dem Forschungsprozess zugänglich zu machen. Im Rahmen einer einzelnen qualitätsgesicherten Publikation können diese Materialien dann mit Bezug auf ein festes Datum referenziert werden.
Die freie Bereitstellung des generierten Wissens (Open Access) geht einher mit der Offenlegung bzw. Öffnung der Forschungsprozesse selbst (Open Science). Diese Öffnung bringt neue Formen der Erkenntnisgewinnung hervor:
Kollaboration als Lern- und Aushandlungsprozess
In offenen Forschungs- und Schreibprozessen wird Kollaboration als ein Modus der Zusammenarbeit verstanden, der Haltungen und Praktiken beteiligter Akteur_innen positiv beeinflussen kann, sodass kultureller Wandel möglich wird. Herausforderungen der Kollaboration in Forschungsprojekten liegen damit zum einen in sozialen und kollegialen Aushandlungsprozessen, die mit Offenheit und Vertrauen zu tun haben. Zum anderen bedingen sie digitale Werkzeuge, die diese Form der Zusammenarbeit unterstützen.
Etablierte und alternative Begutachtungsverfahren
Die Begutachtung (“peer review”) einer wissenschaftlichen Arbeit vor ihrer Veöffentlichung erfolgt in der Regel durch mehr als eine_n Wissenschaftler_in desselben Fachs. Diese sog. “peers”, also fachlich Ebenbürtige, sind in der Regel der_m Autor_in nicht bekannt (“single blind review”) und kennen oft auch die_den Autor_in nicht (“double blind”). Als Alternative zu diesen Verfahren gibt es Ansätze zu größerer Transparenz. Diese kann sich dabei auf die beteiligten Personen, aber auch auf die Gutachten selbst beziehen. Darüber hinaus gibt es auch Bestrebungen, das Verfahren selbst für die Fachgemeinschaft zu öffnen und neben den Gutachter_innen auch weitere Personen kommentieren zu lassen.
Welchen Beitrag leistet Hamburg in diesem Diskurs?
Die beteiligten Einrichtungen Technische Universität Hamburg (TUHH) und Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB) werden in diesem Projekt ihre langjährigen Erfahrungen zusammenführen.
Die Erfahrungen
- Die TUHH hat im Rahmen des Projekts Hamburg Open Online University (HOOU) weitreichende Erfahrungen in der Entwicklung offener Bildungsresourcen (OER) gesammelt. Die Ergebnisse aus diesem Projekt (Workflows, Tools und Formate) sollen nun auf Schreib- und Publikationsprozesse im Forschungskontext übertragen werden. Die Bibliothek der TUHH (tub.) verfügt seit Jahren über Erfahrungen in der Betreuung von Open-Access-Publikationen.
- Die SUB engagiert sich seit Jahren im Open-Access-Publizieren. Hamburg University Press, der Open-Access-Verlag der SUB, ist etabliert; er erfüllt Anforderungen der wissenschaftlichen Reputationskultur und erprobt darüber hinaus zukunftsweisende Wege des Publizierens. Die SUB veröffentlicht auch Open-Access-Zeitschriften. Dabei arbeitet sie mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zusammen.
Die Ziele
- Digitale Publikationen können mit weiteren qualitätsgesicherten Medien angereichert werden, um wissenschaftliche Erkenntnisse besser nachvollziehbar und Ergebnisse reproduzierbar zu machen.
- Die Verknüpfung mit wissenschaftlichen Ergebnissen aus HOS-Forschungsdaten- und AV-Repositorien ist möglich.
- Vertreter_innen von Forschungsgemeinschaften lernen handlungsorientiert kennen, wie sie qualitätsgesicherte Publikationen ohne Abhängigkeiten von großen globalen Akteuren realisieren können.
Was wird konkret getan?
- TUHH und SUB entwickeln gemeinsam eine Prozesskette. Diese basiert auf zwei zentralen Open-Source-Software-Lösungen, GitLab an der TUHH und Open Journal Systems (OJS) an der SUB.
- Die Rolle von GitLab ist es, Aspekte der Kollaboration und Partizipation in Schreibprozessen zu stärken und hierbei Elemente aus der Softwareentwicklung zu integrieren. Besonders im Bereich der Qualitätskontrolle spielt GitLab seine Vorteile aus. Aber auch automatisierte Prozesse sind von Bedeutung, um verschiedene Formate von Publikationen zu generieren (PDF, HTML, EPUB, XML).
- OJS bietet eine Umgebung zur Prozessierung und qualitätsgeprüften Veröffentlichung von digitalen Zeitschriften. Die SUB kennt die Anforderungen zur nachhaltigen Sichtbarmachung und Verbreitung von Open-Access-Journals.
Welche Vorteile ergeben sich hieraus für die Wissenschaft?
Aus der freien Verfügbarkeit wissenschaftlicher Publikationen ergeben sich für die Wissenschaft verschiedene Vorteile:
- Erhöhte Transparenz: Wissenschaftler_innen haben schnellen und unmittelbaren Zugriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse.
- Kostenloser Zugriff: Open-Access-Publikationen sind frei zugänglich und für die Nutzenden kostenlos. Damit hängt die Teilhabe an wissenschaftlicher Erkenntnis nicht mehr von finanziellen Faktoren ab.
- Räumlich und zeitlich unbeschränkter Zugriff: Wissenschaftliche Ergebnisse können überall und zu jeder Zeit aufgerufen und nachgenutzt werden.
- Referenzierbarer Volltext: Wissenschaftler_innen können ihre Werke mit Link auf den Volltext z.B. in Lebensläufen referenzieren und aktiv teilen.
- Maschinenlesbarer Volltext: Open-Access-Beiträge erlauben automatisierte Verfahren der Textanalyse ohne Bezahlschranke oder Zugangsbeschränkungen.
- Kollaboration: An Forschungsprozessen Beteiligte rücken in Arbeitsprozessen näher zusammen, was die Ergebnisse positiv beeinflussen kann.
- Alternative Reviewverfahren: Publikationen können durch alternative Begutachtungsverfahren eine Verbesserung der Qualität erfahren.
Welche Vorteile ergeben sich für die Öffentlichkeit?
Aus den beschriebenen Publikationsprozessen ergeben sich auch Vorteile für die interessierte Öffentlichkeit:
- Sichtbarkeit: Der Wissenschaftsstandort Hamburg wird sichtbarer. Auch Akteur_innen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs haben Zugang zu qualitätsgesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die bspw. in wirtschaftlicher Hinsicht interessant sein können.
- Transparenz: Über frei zugängliche Publikationen kann nachvollzogen werden, wofür öffentliche Forschungsgelder verwendet wurden.
- Partizipation: Der Zugang zu frei verfügbaren Publikationen und zugehörigen Daten ermöglicht es Akteuren außerhalb der Wissenschaftscommunity, sich an Forschungsprozessen zu beteiligen.
- Nachnutzbarkeit: Frei verfügbare Publikationen können weiter geteilt und gemäß klarer rechlicher Lizenzierung nachgenutzt werden (z. B. in Bildungseinrichtungen).
Projektlaufzeit und Akteure
Das Projekt “Modernes Publizieren” ist auf eine Laufzeit von zwei Jahren ausgelegt und endet im Dezember 2020 mit der Präsentation der Ergebnisse und Vorschlägen für eine nachhaltige und skalierbare Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse und Lösungen.
Die Hauptakteure sind die Universitätsbibliothek der TU Hamburg (tub.), bei der die Leitung des Projekts liegt, und die Abteilung Elektronisches Publizieren/Hamburg University Press der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB). Die beiden Kooperationspartner arbeiten aktiv daran, sich mit anderen Projekten im HOS-Programm zu vernetzen und dabei Schnittstellen und Synergien zu nutzen.